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C.H.C. in "New-York Shooting and Fishing"

Erzählungen und Geschichten vom Fischwasser...
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Roland
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C.H.C. in "New-York Shooting and Fishing"

Beitrag von Roland » 7. August 2022, 16:23

Österreichische Fischereizeitung 1907 © Österr. Fischereigesellschaft gegr. 1880


,,Ich bin nach und nach zu dem Schlusse gekommen, „ sagte der philosophische Angler, indem er seinen Sessel behaglich zurück gegen die Schutzwand der Veranda umkippte, ,,daß der Hauptreiz des Fliegenfischens in der unendlichen Verschiedenartigkeit und Individualität liegt, die sich ergibt, wenn man das große Kompositum der Fliegenfischer versteht. Wie jeder Wunsch seine eigene Art hat, Golf zu spielen, ein Pferd anzutreiben, einem Weibe den Hof zu machen usw., so und nur noch in einem größeren Umfange prägt der Fliegenfischer seinen Methoden und Gewohnheiten den Eindruck seiner Persönlichkeit auf.
Im Allgemeinen zwar sind seine Methoden und Werkzeuge ähnlich denen anderer von der Zunft. Eine sehr einfache Auseinandersetzung wird jedoch zeigen, wie sehr jeder einzelne sich von seinen Genossen unterscheidet.
Man nehme einfach die Angelruten. Jedermann weiß, wie vergeblich das Bestreben ist, sich einer ungewohnten Angelrute anzupassen. Es ist dies gleich dem Versuche, einen schlecht gemachten Rock zu tragen. Er passt nun einmal nicht und das ist alles, was drum und dran ist. Aber eben dieselbe Angelrute kann gerade den kleinen Schwung an der Spitze oder das bisschen Steifheit im Mittelstück oder das biegsame Handstück haben, das sie dem Herzen des anderen Anglers teuer macht, und wenn dies sein Zwillingsbruder wäre.

Wenn nun die richtige Angelrute gefunden wurde und der Angler sich ihr angepasst hat, gerade wie ein Bursche sich an seinen Rock gewöhnt, und er mit einem gewissen instinktiven Gefühl jedes Biegen, Federn und Beben von ihr kennen gelernt hat, wenn sie sozusagen ein Teil seines eigenen Wesens geworden ist und so einer Verlängerung seines Armes gleich ganz und gar unter der Herrschaft unbewusster Gehirntätigkeit steht, wie jedes andere Glied seines Leibes: dann ist es kein Wunder, dass sie sein Herzensschatz wird und dass ihr Verlust ihn wie der Verlust eines Kindes trifft.
Die Angelrute wieder bestimmt zum großen Teile die Wahl der Leine und der Rolle. Bei Schnur und Rad sind wir allerdings an die Muster der Erzeuger gebunden. Aber bei den Fliegen finden wir eine erstaunliche Entfaltung von Sympathie und persönlicher Liebhaberei. Ich sage persönlicher Liebhaberei, weil nicht zwei Angler dieselben Fliegen mit demselben Erfolge anwenden können. Man wird finden, dass jeder erfahrene Angler seine Liebhabereien und Abneigungen, auf je längere Zeit seine Versuche und Erfahrungen sich erstrecken, um so mehr in seiner ganzen Person gefestigt hat.
Zwischen gewissen Fliegen und gewissen Anglern besteht eine Beziehung, die unerklärlich ist. Die Bücher erzählen uns, dass die Auswahl der Fliegen von der Jahreszeit, dem Wasserstande, dem Ernährungszustande des Fisches abhängig ist und dergleichen, indem sie die Wahl in die Liebhaberei des Fisches verlegen. Das alles besteht nach meinem Ermessen aber in Wahrheit nicht, nur der Appetit allein entscheidet. Kein Schriftsteller hat jedoch, so viel ich weiß, die Anschauung vertreten, dass jene Fliegen anzuwenden sind, mit denen der einzelne bestimmte Angler Fische fangen kann und dass, weil gewisse, bestimmte Fliegen ihm wohl gefallen und nutzen, demnach wieder kein Grund dafür vorhanden ist, dass auch ein anderer Angler einen gleichen Fang mit eben derselben Fliege machen könne.

Was ein Angler an einem neuen Wasser zuerst zu lernen hat, ist, welche Fliegen für ihn am besten passen. Dann hat er sich diesen Fliegen anzubequemen.

Nun nehme man die Brodhead-Wässer und die Hunderte von kleinen Wasserläufen, welche sich in den Delaware ergießen. Ich vermute, dass man an ihnen bei hundert Jahren oder mehr noch mit der Fliege gefischt hat. Aber am Ende all dieser Zeit haben wir noch immer nicht entschieden, was die non plus ultra- Fliege für diese Gewässer ist. Man frage sechs verschiedene Angler, nicht Neulinge, sondern gute, erfahrene, ausgebildete Angler und man wir sechs verschiedene Antworten erhalten oder, wenn etwa zwei den selben Namen angeben sollten, so frage man sie näher nach ihren Fliegen aus und man wird einen entschiedenen Unterschied zwischen ihren Mustern finden. Und doch verlangen, doch machen all diese Leute reiche Beute zur selben Zeit und in denselben Gewässern.

Nehmen Sie zum Beispiel den alten Stoneman. Jedermann weiß, dass Stoneman Jahre hindurch einer von den besten Anglern an diesen Gewässern war. Stoneman schwört auf eine Fliege, die ,,Professor,, heißt und auf eine rote Hechelfliege, die nicht einer Raupe gleicht, sondern eine wahrhaft scharlachrote Hechelfliege ist; was noch mehr ist, er benutzt diese zwei hellfarbigen bunten Fliegen an Haken, die wahrlich für nicht zu mächtige Forellenbarsche groß genug wären. Diese fangen Fische für ihn und der Mann, der einen schweren Fischkorb heimbringt, als der alte Stoneman, muss schon ein guter Fischer sein. Blicken Sie in Stonemans Fliegenbuch und Sie werden schwerlich eine Fliege außer jenen beiden Mustern finden und schwerlich einen kleineren Haken als Nr. 8. Nun, ich selbst bin für einen ,,Professor,, eingenommen, aber keineswegs größer als Haken Nr. 12. Ein Zehnerhaken ist überhaupt der größte, den ich jemals an diesen Gewässern benutzte. Es ist kein anderer Angler da, der Stonemans Fliegen gebrauchen und mit ihnen einen guten Erfolg erzielen kann. Doch der alte Mann fängt damit so viel, als nur irgendjemand. Warum? Ich weiß es nicht.
Es ist diese sonderbare Sympathie zwischen gewissen Menschen und gewissen Fliegen eines jener köstlichen Geheimnisse, die den Reiz und den Zauber des Fliegenfischens nur noch erhöhen.

Nehmen Sie John Anderson: John fängt so viele Fische, als nur irgendjemand von uns und an denselben Tagen. John kann nicht dazu überredet werden, eine wirklich lichte Fliege zu gebrauchen. Die alte braune Hechelfliege ist Johns größte Stütze und Sie werden gewöhnlich auch eine schwarze Mücke oder eine dunkle Fantasiefliege oder einen dunklen Coachman an seinem Vorfache finden.
Die Kuhmistfliege und die Hasenohrfliege sind auch Lieblinge Johns. Fischen Sie an einem bedeckten Tage mit John und sagen Sie: ,,John, um des Himmels willen, nehmen Sie doch lichtere Fliegen an Ihr Vorfach! Versuchen Sie eine rote Ibisfliege oder eine lichte Montreal,,. John wird seine Pfeife bedächtig den Mundwinkel hinabziehen und gedehnt sagen: ,,Well, lassen Sie uns mal erst sehen, was diese fette, saftig ausschauende Duskybugsfliege vorerst ausrichten wird,,. Und diese Fliege tut was recht ist für John. Wenn Sie aber Ihr Glück mit einer solchen Fliege versuchen wollten, würde Ihr Fischkorb wohl sehr leicht bleiben.
Nun, meine Lieblinge sind der Quäker, der Grizzlykönig, das gelbe Särchen, der kleine Professor und der Coachman. Ich beschränke mich nicht gerade ausschließlich auf diese Liste, jedoch sind diese Fliegen sozusagen meine Notanker.

Selbstverständlich ist da dem Fische etwas Wahl überlassen und in gewissen Gewässern scheinen wirklich-einige Fliegen besser zu sein als andere. Einige Leute aber scheinen wo immer es auch sei mit denselben alten Lieblingsfliegen Fische fangen zu können. So ist es ein guter Gedanke, wenn Sie an ein neues Wasser kommen, selbst gegen alle erprobte Meinung mit Ihren alten Lieblingen einen Versuch zu machen. Aber man darf dabei kein Starrkopf sein. Die Fliegen, die andere verwerfen, können gerade jene sympathtische Beziehung zu einer Person haben, die dieser dann zum Fange der Fische verhilft. Ein andermal wieder gelingt es nicht. Das Fliegenfischen ist nun einmal so.
Als ich vor zwei Jahren meinen Ausflug in die Aroostockgegend unternahm, riet mir ein erfahrener Freund, den ich zu Rate zog, zu einer Menge von roten Fliegen. Lichte und dunkle Montreal, roter Ibis, Feuerfliege, rote Hechelfliege, Wasserkönig, Grizzlykönig mit Ibisschwanz und Schultern und dergleichen riet er mir an. Ich wurde feierlichst vor der gelben Fliege gewarnt und deren Gebrauch wurde mir als ein gewaltiger Fehler geschildert. Man riet mir, alle meine Professors, gelben Särchen und matter gefärbten Fliegen zu Hause zu lassen, was ich aber nicht tat. Nun gut. Die dritte Nacht lagerten wir uns an einer Stelle, wo die Boote über Land getragen werden mussten, neben einem ausgezeichneten Forellenbache, klar, rasch fließend, Felstrümmer und kleine Wasserfälle, kurzum alles, was dazu gehört. Unser Führer schlug vor, dass wir einige kleine Fische fürs Abendessen fangen sollten. So richtete ich ein von mir bevorzugtes altes Brodheadvorfach her, nahm eine Quecksilberfliege als Strecker, einen Professor als Mittelfliege und ein gelbes Särchen als Springer. Der Führer sah ganz ernsthaft zu, sagte aber nichts. Der andere Bursche fragte aber spöttisch, ob die Maineforellen auf die gelben Fliegen so närrisch seien, wie die New Yorker Forellchen. An seinem Vorfach hatte er eine ,,Ibis,, eine dunkle Montrealfliege und einen Wasserkönig. Ich antwortete, dass ich Forellen fangen wolle, nicht aber Ochsenfrösche. Dann ließ ich mein Vorfach gerade an eine Ecke fallen, wo ein kleiner Wasserfall in einen großen Tümpel stürzte und schon beim zweiten Wurf erhaschte der Professor einen halb Pfünder wie einen Bulldog.
Wir fischten beide ungefähr 20 Minuten. Ich erbeutete sieben ganz schöne Fische, der andere dagegen drei. Vier fing ich mit dem Professor, zwei mit dem Quäker und eine mit dem gelben Särchen. Der Führer sagte, dass sie die Professorenfliege wegen ihres roten Schwanzes annahmen, konnte mir aber nicht erklären, warum sie nicht auch für den roten Aufputz der Fliegen des anderen Mannes schwärmten.

Ich bemerke, dass ein Angler, sobald er älter wird, seine Fliegenliste einschränkt, gerade so, wie er seine Unternehmungen und Geschäfte einschränkt. Er geht darauf aus, die ihm weniger lieben Fliegenarten beiseite zu lassen und bleibt mehr und inniger an seinen Lieblingen haften. Er hat kennen gelernt, dass es verfehlt ist, seine Fliegen bei jedem Misserfolge und bei jeder Änderung des Wetters zu wechseln. Er hat aber auch kennen gelernt, welche Fliegen für ihn persönlich die besten sind und weiß, dass er mit ihnen besser vorwärts kommt als mit irgendwelchen anderen, wenngleich diese anderen für andere Leute vorteilhaft sind.
Es ist immer nur der Neuling, welcher tausendundeine Fliegengattungen mit sich herumschleppt und alle zehn Minuten die Fliegen ändert. Und doch ist für ihn dadurch nichts gebessert. Nur Erfahrung und harte Arbeit lehrt ihn, Erfolge zu finden, wie es auch bei uns war. Je eher er aber herausfindet, welche die seiner Natur passenden Fliegengattungen sind, desto eher wird er sein wahres Vergnügen am Fliegenfischen finden und mit dem Sport zufrieden sein, welcher auf seinen Anteil entfällt. Ich menge mich niemals darein, wenn ich den jungen Mann mit der neuen Angelrute und dem dicken Fliegenbuch in Trübsal geraten sehe. Mir ist es auch so ergangen. Glückauf junger Angler! Die haben noch ein Leben vor sich, wert, gelebt zu werden, und einer aus der alten Zeit, so wie ich, kann nichts besseres tun, als ihnen so viel Vergnügen zu wünschen, als ich gehabt habe und noch zu haben hoffe, ehe ich gehe, dem alten Vater Izzak Gesellschaft zu leisten.


C.H.C. in ,,New-York Shooting and Fishing
Fliegenfischen ist eine Tätigkeit, die es einem Mann gestattet, in Frieden und Würde mit sich allein zu sein.

John Steinbeck

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Re: C.H.C. in "New-York Shooting and Fishing"

Beitrag von zulu6 » 8. August 2022, 08:06

Danke fürs Weitergeben der Texte.
Diese Geschichte hier hat mich am meisten von den 3en angesprochen und in so mancher Hinsicht konnte ich mich sozusagen darin ein Stück weit wiederfinden.

Schöne Grüße
Jürgen
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Re: C.H.C. in "New-York Shooting and Fishing"

Beitrag von wuzler » 9. August 2022, 16:07

Sehr schöne Geschichte und ja, auchich konnte mich darin teilweise wiederfinden.
Danke für`s Weitergeben!


LG
Karl
Tight Lines und gut Zwirn
wünscht Dir
Karl

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