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Sleepy Jackson's Trockenfliegensieg durch den er seinem Vater 5000 Dollar gewann

Erzählungen und Geschichten vom Fischwasser...
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Roland
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Sleepy Jackson's Trockenfliegensieg durch den er seinem Vater 5000 Dollar gewann

Beitrag von Roland » 7. August 2022, 16:04

Nachfolgende Fliegenfischererzählung erschien als Übersetzung in der Österreichischen Fischereizeitung im Jahre 1929. Aus dem englischen wurde diese von E.K.-K., Wien (Egon Krall-Kralsberg übertragen. © Österr. Fischereigesellschaft gegr.1880


Sleepy Jackson's Trockenfliegensieg durch den er seinem Vater 5000 Dollar gewann.


Windy Jackson und Red Thorn waren die zwei eingesessenen Holzbarone im Norden von Whitneyville. Jedem von ihnen gehörte ungefähr die Hälfte der Forste und jeder behauptete mit gleicher Kühnheit, daß sein Holz das feinste, sein Fällerpersonal das geschickteste und seine Floßmannschaft natürlich die zäheste und beste im ganzen Staate sei. Jedes Frühjahr fochten die beiden einen erbitterten Kampf darum, wessen Stämme als erste zum Main River gelangen würden, dessen Rücken sie den weiten Weg nach Whitneyville hinabtrug. Wessen Holz zuerst nach Whitneyville kam, erzielte die besten Preise in der Säge und groß ist die Zahl der Anekdoten, welche dieser uralten Fehde zwischen den beiden Häusern entsprangen. Zahlreich auch waren die Scharmützel mit Axt und Hakenstange zwischen den zwei feindlichen Mannschaften, den wer mit Jackson sympathisierte, galt als Thorn’s Feind und aus dieser eigentümlichen Lage heraus entwickelt sich die Geschichte von Sleepy Jackson, Windy’s einzigem Sohn.

Sleepy, so behauptete sein Vater, war nicht ganz normal. In gewissem Sinne hatte der alte Herr nicht unrecht, denn sein Sohn hatte weder Vorliebe zu schwerer Arbeit, noch zu rascher Bewegung. Er folgte nicht den Fußstapfen seines ruhelosen, ewig schimpfenden Erzeugers; Holz konnte er kein Interesse abgewinnen, noch weniger hatte er Abneigung gegen Red Thorn, den geschworenen Feind seines Vaters. Höchstens daß Sleepy mit mildem Lächeln beobachtete, wessen Stämme zuerst den Main River herabgetrieben kamen, die von Red Thorn oder die seines „Alten“. Mit einem Wort, Sleepy war ganz aus der Art geraten und zum „Business“ unbrauchbar. Aber wenn es zum Angeln kam – ah, da kannte Sleepy sich aus! Und wie fischte er! Er war „Purist“ reinsten Wassers, d. h. er fing seine Forellen an der Trockenfliege oder er fing sie überhaupt nicht.

Nun verstanden die biederen Einwohner von Whitneyville vom Trockenfliegenfischen, bzw. vom Angelsport überhaupt, noch erheblich weniger als Sleepy Jackson vom väterlichen Geschäft verstand. Sie stellten sich unter Rute eine 16 ½ Fuß lange Stange, unter Schnur einen Knäuel Spagat vor, ein Haken war für sie das Ende einer Flößerstange und Fliege ein lästiges Geschmeiß, nichts weiter. Hätte man aber von einer Hechelöhrfliege, einer Vier-Unzenrute oder konischen Flugschnur gesprochen, so hätten sie den Betreffenden für verrückt gehalten. Und dies war auch, wie es heißt, die Ansicht von Sleepy’s altem Herrn – Windy Jackson.
Er und Sleepy befanden sich im Kantor der Jackson Logging Company zu Whitneyville.
Windy war mit der Ausfertigung der Lohnlisten beschäftigt und Sleepy ins Ausbessern der Bindungen an seiner Lieblingsrute, einer gespließten, vier Unzen leichten Leonard (H.L. Leonard, einer der berühmtesten Rutenbauer Amerikas) – Forellengerte vertieft.
Windy wendete sich zu seinem Sohn, einen schmächtigen, gebräunten Burschen von etwa 28 Jahren. „Du bist doch der faulste Schlingel,“ sagte der alte Mann und seine Schnurrbartspitzen vibrierten, „der mir je untergekommen ist. Wenn Du zu irgend etwas nütze wärest, säßest Du nicht hier, sondern würdest am Sabio-Fluß draußen sein und Pfähle für die seitlichen Ausleger einrammen und …“ „Aber ich bin eben nicht,“ meinte Sleepy seelenruhig und langte nach dem Lackfläschchen. „Was bist Du nicht?“ fragte Windy gereizt. „Zu irgend etwas nutz“. Des alten Windy’s Antwort klang so wild, daß Sleepy Rute, Seide und alles andere zusammenpackte, hinausging und sich mit einem Seufzer der Erleichterung auf den Stufen vor der Office in der warmen Maiensonne niederließ. „Die alten Leute,“ überlegte Sleepy, „nehmen allesamt das Leben viel zu schwer“.
Sleepy öffnete seinen Hemdkragen und schob den Hut ins Genick. Maienwetter, dachte er weiter, ist doch da, um den Menschen freudig zu stimmen, nicht um zu arbeiten oder unerquickliche Gespräche mit seinem „Alten“ zu führen.
Nun ist aber der Sabio-Fluß, welcher vom Westen her den Main River zuströmt, ein reißendes Wasser und zum Triften von Langholz vorzüglich geeignet. Hierbei benützen sie im Frühjahr auch Dynamit und das schadet der Fischerei. Welche Forelle hielte solche Behandlung aus! Eine Trockenfliege am Zwölferhaken, ja, die gebührt diesem edlen Fisch. Sich vorzustellen, welchen Sport sich diese Flößer entgehen ließen! Zu denken, daß es erwachsene Menschen gibt, welche noch nie von einer Leonhard Rute, einer Royal Coachman-Fliege, einer doppelt verjüngten Vakuumschnur gehört haben! Schrecklich! Sleepy schüttelte wehmütig sein Haupt, wurde aber in seiner Gedankenarbeit durch den Anblick eines Ringes am Spitzenteil seiner Gerte unterbrochen, der verbogen war und gerichtet werden musste. Wahrlich eine Arbeit, die vollste Aufmerksamkeit eines ganzen Mannes erforderte!
Er hatte die Bindungen an der Spitze entfernt und sah gerade an ihr entlang, als ein Schatten seine Visierlinie kreuzte. Er ließ die Spitze sinken, um sich den Schatten näher zu betrachten; es stellte sich heraus, das dieser zu der großen, massigen Gestalt von Red Thorn gehörte, von Mr. Redfield Thorn, der Thorn-Machias Lumber Company zu Whitneyville.

„Halloo Red,“ grüßte Sleepy und rückte zur Seite, um Thorn vorüberzulassen. „Mein alter Herr wird sich freuen, daß Ihr ihn besucht“.
„Glaube ich kaum,“ brummte Red mürrisch. „Ich komme wegen der Frühjahrstrift“.
„Nun, und?“ meinte Sleepy unschuldig und putzte bedächtig eine Zwinge.

Red Thorn warf ihm bloß einen finsteren Blick über die Schulter zu und wandte sich jäh zu Windy Jacksons Kontor.
Sleepy vertiefte sich wieder in seine Arbeit und horchte aufmerksam auf den Wortwechsel der beiden Rivalen, der durch das offene Kontorfenster nach außen drang.

„Ihr denkt wohl, Euer Holz als erstes nach Whitneyville zu bekommen, nicht wahr?“ schnaubte Red Thorn.
„Ich denke nicht dergleichen,“ war Windy’s Antwort, „sondern ich weiß es ganz bestimmt“.
„So, woher wisst ihr das so genau?“
„So sicher, als ich weiß, daß Eure Mannschaft unterbezahlt, unterernährt und disziplinlos ist. Genau so sicher ist es, daß Eure Holzknechtlager binnen drei Jahren ein Fraß der Stachelschweine sein werden.“

(Sleepy lächelte bei dieser Tirade seines Vaters. „Er ist doch eine richtige Kratzbürste,“ murmelte er bei sich.)
Nun war es einen oder zwei Augenblicke stille in der Office, dann vernahm Sleepy die Zorn vibrierende Stimme von Red Thorn: „Well, wie viel riskiert Ihr, daß Eure Stämme als erste zur Säge kommen?“

„Soviel als Ihr mir gut seid, Herr! Schlagt vor!“
„All right,“ sagte Red mit Nachdruck, „ich wette mit Euch um fünftausend, daß meine Stämme vor den Eurigen den Main River erreichen.“
„Soll gelten!“ rief Windy. „Aber nun hinaus mit Euch!“

Red Thorn grinste vergnügt, während er davonging. Sleepy blickte ihm trotz der strahlenden Maiensonne finster nach. „Da geht er nun und dem alten Mann droht ein Verlust von fünftausend, so war’s doch?“

Sleepy’s Miene verdüsterte sich noch mehr.

Sein „Alter“ konnte soviel Geld nicht auf Spiel setzen; er war doch keine Northern Paper Company oder ein reicher Trustmagnat. Was ihm da nur eingefallen war? Red hatte ihn schon vor vier Jahren mit dem Sägegeschäft tüchtig drangekriegt und jetzt jagte er ihn in diese unsinnige Wette, die seinem Vater, wenn er sie verlor, das Genick brechen musste. „Aber“, zuckte Sleepy seine schmächtigen Schultern, „schließlich ist das Papachen’s Sache.“ Und damit verfiel er wieder auf freudigere Gedanken, in denen Forellentümpfe, konische Schnüre und allerfeinste, in der Morgensonne blinkende Vorfächer die Hauptrollen spielten. Und zu denken, daß in diesem herrlichen Trockenfliegenrevier er der Einzige war, der davon etwas verstand, ja der sich darum auch nur kümmerte! „Die Gesichter der Leute möchte ich sehen, wenn sie mir zuschauen, wie ich die Fliege werfe; möchte ich wetten…“
Sleepy Jackson richtete sich plötzlich auf. In seinem ganzem Wesen lag eine ungewohnte Lebhaftigkeit. Der Spottname „Sleepy“ (schläfrig) hätte in diesem Augenblick kaum zu ihm gepasst. Indessen war er wieder derselbe alte Träumer vom Forellenbach, als er weniges später seines Vaters Büro betrat und sich an einen Sessel lehnte.

„Gib acht,“ meinte Windy Jackson ironisch, „daß dir der Sessel nicht davon schwimmt!“
„Einerlei,“ entgegnete Sleepy und lehnte sich noch lässiger an den Stuhl. „Sage mir lieber, wann Du zu triften gedenkst?“
„Warum?“
„Ach, nichts- wollte nur versuchen, mich für Dein Geschäft zu interessieren. Das ist Alles.“
„Well, Du meinst wohl Deine Beschäftigung, denn zu einer richtigen Arbeit bist Du doch zu faul. Aber, wenn Du’s wissen willst, wir beginnen mit dem Flößen wie gewöhnlich so um den 10. Mai herum.“
Sleepy ging gedankenvoll hinaus und kehrte zu seinen Träumen von Salmo fontinalis zurück und zu allem, was so drum und dran hing. Drinnen in der Office aber füllte Windy Schecks aus und wunderte sich, warum sein Sohn nach dem Abflößen gefragt hatte? „Wahrscheinlich wollte er wissen, wann dieses aufhören würde, ihn in seinem langweiligen Fischen zu stören,“ dachte er und stürzte sich wütender denn je auf seine Arbeit.

Sechs Meilen oberhalb von Whitneyville spaltete sich der Main River in zwei Arme, einen westlichen, der Sabio hieß und einen östlichen, welcher East Branch genannt wurde. Der Vereinigungspunkt dieser beiden, den Main River bildenden Zuflüsse, war das Ziel der zwei Konkurrenzfirmen.

Im schweren Stauwasser seines dreischleusigen Holzdammes am Sabiofluß, beaufsichtigte Windy Jackson das Verfrachten der fünfhunderttausend Fuß Langholz. Für seine Jahre war Windy überraschend behände und er konnte die schwersten Stämme ohne Fehltritt dirigieren.
Red Thorn hingegen flößte im East Branch, in welchem er, wegen dessen seichteren Wassers, halbwegs gegen die Mündung zu, einen zweiten Damm eingebaut hatte. Im ruhiger und tiefer fließenden Sabio war dies nicht nötig gewesen, aber dafür hatte er geringeres Gefälle und das Triften ging deshalb in der Regel langsamer vor sich als im East Branch.
Fast im gleichen Augenblick, obwohl durch sechs Meilen Forst voneinander getrennt, begannen Windy Jackson und Red Thorn ihre Stämme durch die Dämme zu schleusen. Fünftausend Dollar waren eine Menge Geld für Windy Jackson und er sah sorgenvoll drein, während er seine Leute zu höchster Eile antrieb. Aber der Strömung konnte er nicht befehlen und so waren im Morgengrauen des dritten Tages die Stämme Red Thorns bereits beim zweiten Damm angelangt. Von hier abwärts, durch das nun von Felsen eingeengte Bett bis zum Main River war es nur eine Frage von wenigen Stunden und so fühlte Red Thorn das Bedürfnis, nach seinen Konkurrenten zu sehen. Er schärfte daher seiner Mannschaft ein, ja sofort mit dem Schleusen zu beginnen und machte sich auf den Weg, der auf einer verfallenen Bergstraße zum Sabio hinüberführte.
Auf der Sattelhöhe angekommen, die die beiden Täler voneinander trennte, sah er Windy’s ersten Stamm gemächlich in der Strömung treiben. Sein Ende trug das Zeichen J.L.C.
Red musste sich’s eingestehen, das Windy etwas besser als erwartet abgeschnitten hatte, obwohl er natürlich seine eigenen Stämme unmöglich mehr einholen konnte, die jetzt schon lustig unterhalb des zweiten Dammes tanzen mussten. Red schlenderte vergnügt am Ufer stromauf und traf eine Meile weiter oben auf Windy. Einige von dessen Hölzern hatten sich bei einer scharfen Krümmung quer gestellt und ineinander verkeilt. Windy selbst war gerade im Begriff, fünf Dynamitpatronen unter sie zu legen, die an einen Erlenzweig befestigt waren. Die Zündschnur war nur vier Zoll lang und Red Thorn blieb daher in sicherer Entfernung hinter einem Baum gedeckt, bis der Sprengschuss ertönte. Die Stämme barsten und setzten sich in Bewegung, während die Flößer am Ufer mit langen, stachelbewehrten Stangen die Hölzer in die Strömung dirigierten.

Windy troff von oben bis unten und dies bemerkte Red als er näher trat.

„Ein Bad genommen?“ fragte er ironisch.
„Keine Spur,“ meinte Windy, „häkelte die ganze Zeit warme Strümpfe für meine Urgroßmutter.“
„Wette, Ihr wünschet am Main River zu sein,“ stichelte Red weiter.
„Nein, aber ich wünschte, daß Ihr in der Hölle wäret.“

Zur Zeit, wo diese Konversation im Gange war, kroch Jed Yades, der Floßmeister Thorn’s auf den unteren Damm herum und rief seinen Leuten zu, die Schleusen zu öffnen und die Balken laufen zu lassen. Die Leute sprangen hinzu und waren eben im Begriff, einen riesigen Pfosten zu ergreifen, um damit die Schleusen zu lüften, als sie, dem erstaunten Blick ihres Vorarbeiters folgend, den Damm hinunter- und über den Wehrtumpf aufs andere Ufer blickten.
Nun hatte Red Thorn dieses Jahr den Damm nicht repariert und so waren überall Lücken entstanden, durch die genug Wasser floss, um einen ganz prächtigen Tumpf unterhalb zu bilden. Außerdem war es ein herrlicher Tag. Es wehte eine leichte Brise bei strahlendem Sonnenschein und für Anfang Mai war es ungewöhnlich warm. Mit einem Wort, es herrschte ausgesprochenes Fliegenwetter, was die besagten Flößer freilich nicht verstanden, denen, wie erwähnt, die Fliegenfischerei ein ähnliches Geheimnis war wie etwa das russische Ballett. So sollten sie denn, ohne daß sie es wussten, Zeugen eines Schauwerfens werden, wie es nur je von einem Trockenfliegenexperten vorgeführt wurde.

Am Ende des Gumpens sprang eine kleine Kiesbank in den Fluß hinaus. Auf dieser nun stand ein junger Mann, der sich scheinbar in seinem Tun unbeobachtet glaubte. Gerade knüpfte er an seine Schnur ein neun Fuß langes, spitzzulaufendes Vorfach von geradezu unwahrscheinlicher Feinheit. An dessen Schlingen befestigte dann der Fremde drei winzige, helle Dinger, die wie Mücken aussahen. Hierauf gewahrten die Zuschauer, wie er die Fliegen sorgfältig mit irgend einem Öl präparierte. Er gab sich keine Eile mit seinen Vorbereitungen und jede seiner Bewegungen war zweckmäßig und wohlerwogen. Nun verstaute er das Ölfläschchen wieder bedächtig in seiner Tasche und ließ das lange Vorfach von der Spitze seiner Rute lustig im sanften Winde flattern. Diese Rute war, nebenbei bemerkt, eine Vierunzen Leonhard. Den stiernackigen Waldmenschen erschien sie wie ein Feenstab. War’s möglich, daß dieser Verrückte sich zum Fischen anschickte – und mit einer derartigen Takelage! Art Clancy, der etwas vom Fischen verstand, da er im Sommer auf Hechte angelte, benützte dazu eine kräftige Fichtenstange mit gut zwei Zoll am unteren Ende und einem halben an der Spitze. Jed Yades fing seine Forellen an einer stark beschwerten, strickartigen Handschnur, die er mit einer selbst geschnittenen Wurfgabel auswarf. Nun schauten beide verwundert, fast bestürzt drein.

Der junge Mann tat etwas komisches. Er begann die Spielzeugrute vor- und rückwärts zu schwingen und sie konnten sehen, wie die Schnur in der Sonne blinkte. Die Fliegen hatten noch nicht das Wasser berührt und schon kamen sie bei jeden Wurf näher zum Damm. Am Ende ließ er sie gar erst im Gumpen dicht zu ihren Füßen fallen! Die Leute standen festgebannt. Der Mann war doch volle siebzig Schritte weit weg und legte trotzdem, nur so aus dem Handgelenk heraus, die Schnur gerade vor ihren Nasen auf das Wasser unter ihnen.
Konnte das mit rechten Dingen zugehen? Achtung, jetzt ließ er den „Köder“ aufs Wasser fallen. Was? Das waren ja kleine Federbüschelchen! Wie konnten die den Forellen imponieren? Diese waren Regenwürmer und Heuschrecken gewohnt, aber Federn!? Die Fliegen schwammen leicht an der Oberfläche, an einem so durchsichtigen Vorfach, daß man es kaum ausnehmen konnte. Plötzlich ein Plätschern und die Sonne zauberte einen kleinen Regenbogen in das aufspritzende Wasser. Unmöglich, daß eine Forelle so verrückt sein und auf solche Federn beißen konnte? Aber es war doch so und ein schwerer Bursche obendrein. Mochte wohl an die drei Pfund haben.
Jed Yates sah sich um. Fünf oder sechs weitere Floßleute waren auf dem Dammflügel geklettert und starrten wie verzaubert auf das Schauspiel einer kämpfenden, großen Forelle an unsichtbarer Schnur, welche eine zarte, fast ebenso unsichtbare Gerte zum Halbkreis bog. Sie stützten sich auf Hauen und Stangen und verharrten in den verschiedensten Gesten des Interesses. Allicran Jenkins zum Beispiel stand da, die Hand in halber Höhe zum Munde geführt; in ihr hielt er noch den Rest seines Frühstücksbrote, vergaß aber ganz aufs Zubeißen.
Mittlerweile drillte der schmächtige Jüngling die Forelle, mit wie man es nennt „vollendeter Geschicklichkeit“. Er gebrauchte seine Rolle mit äußerster Vorsicht und brachte den Fisch näher und näher. Das rollenähnliche Gebilde, das diese Wald- und Wassermenschen je gesehen hatten, war das Ankerspill auf den Kohlenbarken gewesen und ihr Interesse war daher verzehnfacht.

„Denke, seine Schnur wird reißen“, flüsterte der eine.
„Oder seine Stange“, sagte ein anderer.
„Und wie er nur soviel Schnur mit seiner kurzen Peitsche auswerfen konnte?“
„Gehen wir hinunter und schauen wir, was weiter geschieht!“



Das taten sie auch. Sie näherten sich vorsichtig, als hätten sie fast Angst vor einer so unbekannten Erscheinung wie der eines Trockenfliegenanglers, die sich am Ende als eine Art Luzifer oder Gespenst entpuppen könnte.

Jed Yates glaubte seinen Kameraden mit gutem Beispiel vorangehen zu müssen. Er schritt langsam weiter.
„Noch nie solch Fischereigerät gesehen, Mister“, begann er.

Der Angler blickte auf, scheinbar überrascht, daß jemand in seiner Nähe gewesen. Sein Gesicht war nicht zu erkennen, da er mit einem schwarzen Moskitonetz verhüllt war, um die Gelsen und Fliegen abzuhalten.

„Well“, meinte der Fremde, welcher inzwischen seine Forelle unterfangen und vom Haken gelöst hatte.
„Wenn Ihr schon da seid, so schaut es Euch an.“
Der riesenhafte Flößermeister nahm die Rute vorsichtig in seine mächtige Tatze. Nur ein- oder zweimal wippte er mit ihr, aber es genügte, daß sich zwei von den drei Fliegen in sein Hemd am Rücken festhakten. Der Angler löste sie wieder in voller Ruhe los. „Macht nichts“, meinte er. „Versucht noch ein paar Würfe – nur müsst Ihr der Schnur Zeit lassen, sich beim Rückschwung zu strecken. Es ist ganz leicht.“
Mr. Yates versuchte einen Wurf, er versuchte noch einen und einen dritten. Dann noch dreißig oder vierzig. Er wurde schließlich Engrossist in Würfen und merkte es gar nicht, daß seine Gefährten am Damm kauerten und ihm in höchster Spannung zusahen.
Mr. Yates verlor zwei Vorfächer und fiel einmal ins Wasser, bevor er seine erste Forelle landete. Aber er war ein anstelliger Mensch und lernte rasch, so daß er um 10 Uhr schon ziemlich vorgeschritten war. Mehrere Flößer gaben durch Zurufe zu erkennen, daß auch sie begierig wären, diesen riesig unterhaltenden Spaß mit eigenen Händen zu versuchen und es stellte sich heraus, daß der patente junge Mann „zufällig“ ein halbes Dutzend Reserveruten und ebensoviele Rollen und Schnüre in der Nähe im Gebüsch versteckt hatte.
Und so begann ein regelrechtes Wurfturnier, bis sich plötzlich Mr. Yates erinnerte, daß ihm aufgetragen worden war, die Schleusen zu öffnen und die Stämme „seines dicken Herrn“ vor Jackson nach Whitneyville zu flößen.
„Aber“, meinte der Fremde sorgenvoll, „wenn Ihr die Schleusen hebt, wird es das ganze Fischen stören.“ Und so versuchte Mr. Yates, der nach Allem ein leidenschaftlicher Trockenfliegenfischer geworden zu sein schien, „noch ein paar Würfe.“

Das lustige Treiben aber sollte bald ein unvorhergesehenes Ende finden.

Red Thorn war gegen 12 Uhr zu seinem zweiten Damm zurückgekehrt und es war seine Absicht, von hier längs des Flusses bis zur Einmündung in den Main River zu gehen und dort das spätere Eintreffen von Windy Jacksons Holz zu erwarten. Es war weiter seine löbliche Absicht, Windy wegen seiner Verspätung und den verlorenen 5000 Dollar zu frotzeln. Man stelle sich daher Mr. Thorns Überraschung vor, als er, aus dem dichten Tannengehölz längs des Dammes auftauchend, bemerkte, das sieben seiner besten Floßleute bis zu den Hüften im Eiswasser standen und den Wehrtumpf unter dem Damm mit Trockenfliegen abpeitschten. Sie schienen aber im allgemeinen nicht besonders geschickt darin zu sein, denn drei von ihnen waren gerade mit ihren Schnüren hoffnungslos ineinander verhängt, während ein vierter offenbar beim Rückschwingen seine Fliegen in einem Zedernast gelandet hatte und sie nun eifrig suchte.
Laute Zurufe erfüllten das stille Tal und zwei Leute ohne Ruten, aber zwei Äxten, näherten sich den Zedernbaum in der Absicht, durch dessen Umhauen freies Feld zum Rückschwung zu schaffen.
Jed Yades hingegen zeigte weitere Fortschritte. Zwar war er etwas ungelenk im Fallenlassen und Wiederaufheben der Fliegen und ein bisschen linkisch in der Handhabung der Rolle. Alles in Allem jedoch, war es gar nicht schlecht für bloß vier Stunden Übung.
Red Thorn wunderte sich zunächst, daß es möglich wäre, daß seine Leute bereits nach Whitneyville getriftet hätten und am Rückweg nun ein bisschen fischten. Dann aber blickte er zufällig auf den Damm und bemerkte seine ganze „Ernte“ Langholz müßig im Stauwasser liegen, so wie er es vor vier Stunden zurückgelassen hatte.
Red Thorn wurde purpurrot. Vom Sprechenkönnen war keine Rede, obwohl er, wie man später erzählte, Laute hervorbrachte, die aber eher denen eines Heiseren beim Gurgeln mit Salzwasser glichen. Einer der Leute sah nun in die Richtung der seltsamen Laute und erkannte Red, vor Zorn hin- und herschwankend, am Westflügel des Dammes. Andere folgten dem Blick, senkten in aber sofort wieder. Ein Sturm schien im Anzuge. Man hörte fernes Donnergrollen, obgleich der Himmel blank war. Aber es waren Red Thorns brüllende Befehle. Er hatte endlich seine Stimme wiedergefunden. Und nun, wie Mark Twain einmal sagte, „lasst uns den Mantel der Nächstenliebe über das weitere Geschehen breiten“.
Es bleibt nicht mehr viel zu erzählen übrig. Im Abenddämmern dieses Tages langten die ersten mit J.L.C. (Windy Jacksons Marke) gezeichneten Kiefernstämme am Rechen der Säge von Whitneyville an.
Zeitig am nächsten Morgen begann die Säge zu arbeiten und der erste Block, den sie schnitt, war gesundes, schönes Holz von Jackson.
Windy Jackson und sein Sohn Sleepy standen auf der einen Seite des schmalen Mühlbaches und überwachten das Einbringen der Stämme in den Elevator.

„Sohn“, sagte Windy, „alles was ich Dich schimpfte, bin ich selbst.“
„Nein“, wehrte Sleepy ab. „Ich bin – aber Du könntest mir eigentlich eine neue Leonard-Rute spendieren. Ich habe nämlich gehört, daß „er“ vor Wut meine ganzen Ruten in den Schleusengang geworfen und sein Holz darüber gelassen hat.“
Hier sah Sleepy Jackson auf und bemerkte Red Thorn, der vom anderen Ufer herüberstarrte.
„He, Red“, rief Sleepy hinüber, „ist’s wahr, daß sich Eure Mannschaft aufs Trockenfliegenfischen verlegt hat?“
Red sprang wutentbrannt auf die festgekeilten Stämme, um sich Sleepy, wie man sagt, ein wenig auszuleihen. Nun geschah es aber, daß sich unter dem Langholz gerade hier ein zufällig ins Wasser gefallenes Brett mit der Rinde nach oben befand und daher ganz solid und vertrauenserweckend aussah. Well, Red Thorn stieg ausgerechnet auf dieses Brett – und als er, nach Luft schnappend, wieder auftauchte, war Sleepy schon „verkommen“ und nur Windy stand noch dort und begrüßte ihn mit schadenfrohem Gelächter.

Und so gewann Windy Jackson die 5000 Dollar – und kaufte seinem Sohn eine neue Vierunzen-Leonard-Rute und einige verjüngte Vorfächer, Öhrfliegen und was halt sonst noch für einen Trockenfliegenangler gehört.
Fliegenfischen ist eine Tätigkeit, die es einem Mann gestattet, in Frieden und Würde mit sich allein zu sein.

John Steinbeck

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