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Aller guter Dinge sind 3 - Fliegenkunde aus längst vergangenen Tagen!

Erzählungen und Geschichten vom Fischwasser...
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Roland
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Aller guter Dinge sind 3 - Fliegenkunde aus längst vergangenen Tagen!

Beitrag von Roland » 7. August 2022, 16:27

Von Dr. Adolf Stölzle, Österr. Fischereizeitung, 1911 © Österr. Fischereigesellschaft gegr. 1880


Nun ist sie wieder da, die köstliche Zeit des Federeisl, und mancher Forelle, aber auch schon mancher Äsche wurden Federn und Haare ein Verderben. So alt, so bekannt und so oft geübt, und doch immer wieder Neues und immer wieder Reiz.
Wenn man so seine Schnur an einem lauen Abende über das murmelnde und gurgelnde Rinnen hinwirft und sieht, wie das listige Menschenwerk trügt und täuscht, und wenn man ersehen muss, daß die eine Fliege besser wirkt, als die andere, da kommen so mancherlei Gedanken.
Als ich einmal vor langen Jahren einem Entomologen meine Fliegen Muster hinlegte und wir sie mit den Schätzen des k.k. naturhistorischen Hofmuseums verglichen, da erwies sich allerdings, daß oft nicht einmal eine entfernte Ähnlichkeit vorhanden war. Auch Herr Dr. Horst Brehm hat seinerseits in der ,,Deutschen Angler-Zeitung“ an einer nahezu lückenlosen Reihe von künstlichen Fliegen deren vollständige Unähnlichkeit mit dem Vorbilde festgelegt. Ich habe nun damals meinem Entomologen, der mich über die plumpen, unrichtigen, falschen und daher ganz unähnlichen Nachahmungen vom Herzen auslachte, ruhig gesagt: ,,Mein lieber Doktor! Ob Sie nun diese Nachahmung für ähnlich oder unähnlich halten, das ist mir alles eins. Wenn nur die Fische sie für ähnlich halten, und darnach aufgehen!“

Für was die Fische die Fliege halten? Diese Frage ist schon heikler. Wenn ich z.B. glaube, der Forelle einen Rotspinner vorzutäuschen und sie hält die künstliche Fliege für eine Nachbildung der Orange dun, so könnten wir schon gewaltig auseinanderkommen. Ich würde den Rotspinner so lange aufs Wasser legen, als noch Rotspinner schwärmen. Die Forelle aber würde ihn nur so lange nehmen, als Orangedun schwärmen.

Wenn man so nachdenkt, so muss man zur Erkenntnis kommen, daß eine gewaltige Summe von Versuchen und Erfahrungen in unseren künstlichen Fliegen steckt. Unsere heutigen Fliegen entstammen, wenn sie schon anderswo verfertigt worden sein sollten, ihrer Ausführung nach doch zumeist den englischen Vorschriften für Fliegenbinderei.
Die meisten Abweichungen zeigt verhältnismäßig noch F. Danners Deutsches Fliegenbuch, das aber kaum mehr erhältlich ist. Danner, ein Linzer und ein um die Fischerei sehr verdienter Mann, der eigentliche Erfinder der Kiesbetterbrütung, scheint viel eigene Erfahrung verwertet zu haben.
Abgesehen davon aber, daß eines Mannes Erfahrung kaum ausreichen dürfte, einen verlässlichen Fliegenkalender aufzustellen, fußt er doch auch zum großen Teil wieder auf den englischen Vorbildern.
Es ist nun umso mehr schade, daß unsere deutsche Fliegenwissenschaft in vergangenen Jahrhunderten so jäh abgerissen ist, als sie ja gewiss schon ein hohes Alter hatte und demnach eine höchst ansehnliche Summe von Erfahrungen aufwies, und zwar Erfahrungen, die den deutschen oder kontinentalen Verhältnissen angepasst gewesen sein mussten, die wieder denn doch Verschiedenheiten mit den englischen aufweisen. Erst neulich wurde mir dies auch hinsichtlich der Lachsfliegen bestätigt. Wo diese Lachse gefangen werden, darf man natürlich wieder nicht sagen.

Wir sollten daher trachten, die Erfahrungen unserer Altvorderen vorerst zu überprüfen, und falls sie sich, bei der Gediegenheit unserer Ahnen ist daran kaum zu zweifeln, bewähren sollten, sie in Gebrauch zu setzen und auszubauen.
Dass das Alter des Fischens mit der künstlichen Fliege in Deutschland ein außerordentlich hohes ist, wurde in diesen Blättern schon des öfteren nachgewiesen. Wenn uralte kundige die Federschnur genau behandeln, Wolfram von Eschenbach im Parsival seinen Schionatulander mit der künstlichen Fliege Äschen und Forellen fangen lässt usw., so ist eher anzunehmen, daß die Angeln und Sachsen diese Kenntnisse mit nach dem Inselreiche hinüberbrachten, als daß, wie es heißt, die Römer diese Kunst dort eingeführt hätten.

Und zu all den schon seinerzeit und hier angeführten Zeugnissen kommt noch das Tegernseer Fischbüchlein hinzu, das detaillierte Vorschriften über künstliche Fliegen enthält. Dieses Zeugnis ist aber so interessant und so schwer enträtselbar, daß ich es demnächst, wenn auch nur zum Teile, der Anglerwelt vorlegen will, damit ein Würdigerer die Arbeit leiste, die ich mir vornahm, die ich aber zu leisten außerstande bin.
Vielleicht war es nun gerade dieses Büchlein oder ein ähnliches, das den alten Gesner bewog, die Fliegenkalender in seine zu Zürich im Jahre 1558 erschienene Naturgeschichte aufzunehmen. Wenngleich die Fliegenliste für Forellen vor mehr als 5 Jahren schon in diesen Blättern (Österreichische Fischereizeitung !) enthalten war, so sei sie doch der Vollständigkeit halber auch hier wieder angeführt.


April

Rotseidener Körper, grünlicher Kopf, Flügel aus Hühnerfedern.

Mai

Nachenförmig aufgebogener Körper aus roter Seide mit Goldfäden, schwarzer Kopf, Flügel aus rötlichen Kapaunfedern.

Juni

Leib aus bläulicher Seide und Gold, gelber Kopf, Flügel aus den unter den Schwingen des Rebhuhnes befindlichen Federn.

Juli

Leib aus grünlicher Seide mit Gold geringelt, bläulicher Kopf, Flügel aus gelben Federn.

August

Leib aus Pfauenfedern (aus den Augen) mit einer goldglänzenden Feder umwunden, gelber Kopf, Flügel aus den mittleren Schwungfedern des Haselhuhnes.

September

Leib aus gelber und roter Seide, dunkelfarbiger Kopf, Flügel aus Federn vom Rücken des Schneehuhnes.


Gesner führt weiters an, daß ihm ein kundiger Mann gesagt habe, man könne Äschen täuschen, wenn man Perlhuhnfedern an den Haken binde. Das ist unsere heutige Maifliege mit Kork oder Strohleib. Ich selbst habe mit ihr, und zwar mit großen Hakennummern schon manchen Asch getäuscht. Bei Besprechung der Äsche führt Gesner nun ungefähr (ich übersetze aus dem Latein) folgendes an:

,,Gewiegte Fischer verstehen es, aus verschiedenen Federn der Vögel, die sie als Köder am Haken befestigen, zu verschiedenen Jahreszeiten wieder verschiedene Arten von Raupen und geflügelten Insekten vorzutäuschen. Für die Äschen bilden sie, glaublich im April, eine gewisse Art von Fliegen mit rötlichem Kopfe aus den Federn des Rebhuhnes nach, dann mit lichtem Körper und ebensolchen Flügeln.
Im Mai wieder stellen sie eine Fliege mit bläulichem Kopfe dar, deren Körper abwechselnde Ringe aus schwarzer und weißer Seide hat, mit Flügeln aus den Rückenfedern der Nebelkrähe. Im Juni nehmen sie dann die Federn vom Schwanze des dunklen Reihers (zur Bildung der Flügel oder des Kopfes oder beider, das wird nämlich in der deutschen Handschrift, deren Worte ich anführe, nicht gesagt). Der Körper wird aus den grünen Brustfedern der Waldente gefertigt. Im Juli wird der Körper aus bläulicher Seide gemacht, der Kopf aus schwarzer Seide. Als Flügel binden sie Federn vom Schwanze oder vom Bauche der Nebelkrähe dazu. Für den August machen sie den Körper aus den Flügelfedern des Kranichs, die Flügel aus Rebhuhnfedern, den Kopf grün. Für den September endlich fertigen Sie den Körper aus blauer Seide, den Kopf aus roter und die Flügel aus Rückenfedern der Nebelkrähe.“

Wahrlich es wäre der Mühe wert, dort wieder anzuknüpfen, wo unsere Altvorderen aufgehört haben. Ich gebe ja zu, daß die englischen Muster vorzüglich sind, und daß die Fliegen auch bei uns wirken. Nicht alle Fliegen aber, die in England vorkommen, sind auch bei uns zu finden und die Erscheinungszeiten differieren um mehr als 14 Tage. Daher kommt es auch, daß unsere Fliegen wenn sie wirken, meist nach dem Vormonate benannt sind. Wenn wir die englischen Fliegen benutzen, so fischen wir wohl öfter, als wir glauben, mit Fantasiefliegen. Es könnte daher gewiss nicht schaden, wenn wir uns die Erfahrungen unserer Ahnen zunutze machen würden.
Vielleicht fände man manch wirksame Fliege darunter und könnte, jeder nach seinem Geschmacke, sein Fliegenbuch damit bereichern oder damit versehen und anderes fallen lassen.
Es wäre gewiss auch eine Art Triumph, könnte man den Fliegenkalender des alten Gesner oder richtiger das libellum Germanicum manuscriptum, aus dem er schöpfte, wieder zu Ehren bringen.

Also auf, ihr Fliegenbinder!
Fliegenfischen ist eine Tätigkeit, die es einem Mann gestattet, in Frieden und Würde mit sich allein zu sein.

John Steinbeck

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