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Die Barbe, Österreichs Fisch des Jahres 2022

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Die Barbe, Österreichs Fisch des Jahres 2022

Beitrag von zulu6 » 19. November 2021, 09:21

Grüß euch im Club,

die Barbe wurde bekanntermaßen zu Österreichs Fisch des Jahres 2022 gewählt.
Hier ein Bericht von ORF.at: LINK


Mit der Ernennung weist der Österreichische Fischereiverband darauf hin, dass der Lebensraum der Barben gefährdet ist.
Und – so wird weiter berichtet – sei das Risiko, dass sich die Situation für den Fisch in heimischen Gewässern verschärfe, nach wie vor groß.

Wir Fischer pflegen zumeist eine sehr intensive Interaktion mit unseren Gewässern – am und im Wasser, quasi direkt am Puls des Lebensraumes.
Daher ist das für uns Fischer – insbesondere Fliegenfischer – leider keine allzu große Neuigkeit.


Die Barbe wurde zum Leitfisch einer ganzen Gewässerregion – der Barbenregion erkoren.
Der Barbenregion werden Gewässerabschnitte zugeordnet, welche geprägt sind von variierenden Fließ- und Strömungsverhältnissen,
die gut durchlüftet sind und die Sommertemperatur 15°C übersteigen kann.
Bedingt durch die unterschiedlichen Strömungsverhältnisse ist der Untergrund manchmal schlammig, oft sandig, kiesig und teilweise blockig.

Ich gehe davon aus, dass ihr geschätzte User und/oder Mitleser mit der Biologie der Barbe einigermaßen vertraut seid.
Deshalb verzichte ich im Folgenden auf Informationen, welche man in einschlägigen Standardwerken oder im Internet leicht finden kann.
Anstelle dessen erlaube ich mir, euch anschließend eine spezielle Begebenheit aus meinem Erfahrungsfundus mit Barben zu berichten.


In meiner Heimatregion in Westösterreich konnte ich am Beispiel der Bregenzerache beobachten,
wie sich die Barbenregion stark flussaufwärts ausbreitet.
Die Gründe kann man in der globalen Erderwärmung als auch in anthropogenen Eingriffen in die Natur suchen.
Eine große Rolle dabei dürfte der Kraftwerksbetrieb zur Spitzenstromproduktion spielen.
Hier wird Wasser in entsprechenden Stauräumen zurückgehalten und
dann schwallweise via Kraftabstieg in den Fluss abgegeben, wenn lukrativer Spitzenstrom am Energiemarkt verlangt wird.
Dazwischen fristen die betroffenen Flussabschnitte ein Restwasserstreckendasein mit (zu) wenig Wasser,
was die Gewässererwärmung stark fördert.
Im Unterlauf der Bregenzerache kann das an heißen Sommertagen dazu führen, dass die Wassertemperatur
in den oberen 20er-Bereich gerät, selten sogar auch bis in den 30er-Bereich!
Da geht den üblichen Bewohnern der oberen Gewässerregionen buchstäblich die Luft aus.

Dementsprechend aber sind heute Barben in Bereichen anzutreffen, welche in meinen jungen Jahren noch eindeutig der
Forellenregion zugeordnet wurden und seinerzeit sich noch keine Barben dort aufhielten – auch nicht temporär.

Und trotz aller Widrigkeiten – täglich mehrmals alternierendem Sunk und Schwall, wiederkehrenden Stauraumspülungen mit einem
fast alles erstickenden dazu dotiertem Feinsedimentanteil, den der Fluss als Vorfluter kaum zu verdünnen vermag,
hat sich die Barbe in den betroffenen Gewässerabschnitten gehalten, ja sogar eine starke Population entwickelt.
Als treue Mitstreiter haben sich dabei Döbel (Aitel) und abschnittsweise Strömer herauskristallisiert.
Bachforellen und Äschen hingegen sind verschwunden, auch Regenbogenforellen können sich nicht halten.
Als besonderes Phänomen muss noch erwähnt werden, dass auch die große Steinfliege hier abschnittsweise nach wie vor stark vertreten ist.
An den wenigen Tagen mit klarerem Wasser sieht man oft flankende Barben, wenn sie Steine umdrehen, um an die begehrten Larven zu kommen.

So hat die Barbe hier einen sehr zentralen, wenn nicht sogar dominanten Platz eingenommen.
Viele Fischer, welche die betroffenen Abschnitte der Bregenzerache befischen, haben es trotzdem hauptsächlich auf die
eingesetzten Regenbogenforellen abgesehen. Gezielt auf Barben fischen hier eher weniger Fischer – und von denen noch weniger Fliegenfischer.
Es sollte noch erwähnt werden, dass diese Abschnitte Großteils mit verschieden Methoden befischt werden dürfen.
So passieren doch öfters Barbenbeifänge und hier beobachte ich leider immer wieder, wie respektlos manche mit den Barben umgehen.
„Nicht der Zielfisch, nur ärgerlicher unnützer Beifang.“
Dementsprechend lieblos und leider auch unsachgerecht wird dann mit der Kreatur verfahren.

Aus meiner Sicht hat die Barbe hier trotz aller menschenverursachten Widrigkeiten die entstandene Lücke in der Fauna erfolgreich geschafft zu besetzen,
ja sich etabliert und durch ihr Vorhandensein, durch ihr Verhalten ein neues biologisches Gleichgewicht ausgeprägt,
von dem vermutlich der ganze Lebensraum profitiert.
Mir als Fischer gibt es eine größere Genugtuung, einen Wildfisch, welcher ohne jeden Stützbesatz oder sonstige bestandsfördernde Maßnahmen groß geworden ist,
zu überlisten, als eine in diesem Abschnitt nur kurz als Gast verweilende (gesetzte) Regenbogenforelle.
Darüber hinaus schätze ich die Barbe sehr als kampfstarken Fisch und zu guter Letzt gelegentlich auch in der Küche.

Trotz aller tristen Aussichten zeigt sich am obigen Beispiel, wie zählebig Barben sind, welche biologische Kraft in ihnen steckt,
was für Widrigkeiten sie in der Lage sind zu meistern.

Ein starker und würdiger Fisch des Jahres 2022

01_IMAG8536.jpg



Mit obiger Geschichte mag vielleicht der Eindruck entstehen, dass insbesondere die Barben die anthropogenen Einflüsse
auf unsere Gewässer schadlos wegstecken, ja sogar davon profitieren würden – dem ist selbstverständlich nicht so!
In einzelnen Fällen kann das vielleicht auch zutreffen, aber gesamthaft betrachtet hängt alles an einem seidenen Faden.
Die Vergangenheit hat uns bereits gelehrt, dass jederzeit und unmittelbar eine unbeherrschbare Störung auftreten kann.

Und nur, weil eine Art im Stande ist, das alles zumindest auf Zeit zu ertragen, heißt das nicht, dass es gut oder förderlich wäre.
Im Gegenteil!


Abschließend frage ich mich gerade, wieviel (elektrische) Energie ich wohl summa summarum für die Erstellung dieses Beitrages verbraucht habe und
damit und anderem selbstredend mit in der Verantwortung stehe…


Schöne Grüße
Jürgen
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Re: Die Barbe, Österreichs Fisch des Jahres 2022

Beitrag von wuzler » 19. November 2021, 14:14

Interessanter Beitrag von dir und gibt zum Nachdenken.
Ja eine Barbe liefert einem schon bei normalem Gerät einen harten Drill, ber an der Fliegenrute ist das dann schon nochmals as anderes. Bisher hatte ich einmal das Glück eine 63er Barbe an der Fliegenrute drillen zu dürfen. Sie schwimt natürlich wieder.

Gruß, Karl
Tight Lines und gut Zwirn
wünscht Dir
Karl

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Re: Die Barbe, Österreichs Fisch des Jahres 2022

Beitrag von Palakona » 19. November 2021, 14:59

Ein sehr guter und interessanter Beitrag - danke dafür!
Es werden sich die Flüsse und Bäche noch derart verändern, dass man irgendwann über JEDEN gefangenen Fisch froh sein wird.
Ich bin schon lange der Meinung, dass man auch jetzt schon JEDEN gefangenen Fisch - egal, ob Aitel oder Äsche - würdigen sollte. Wer sich über eine Barbe nicht freut, der hat am Wasser nichts verloren.
Und wo sich bestimmte Fischarten nicht halten KÖNNEN, da gehören sie auch nicht besetzt.
Wir Angler sind nicht das Maß der Dinge, das sollten wir endlich mit der gebotenen Demut anerkennen!
Man muss lernen, was zu lernen ist, und dann seinen eigenen Weg gehen (Georg Friedrich Händel)
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Re: Die Barbe, Österreichs Fisch des Jahres 2022

Beitrag von zulu6 » 20. November 2021, 20:42

Danke für eure Rückmeldungen.

dryfly hat geschrieben:
19. November 2021, 14:59
Ich bin schon lange der Meinung, dass man auch jetzt schon JEDEN gefangenen Fisch - egal, ob Aitel oder Äsche - würdigen sollte.
Da pflichte ich dir bei.
Es benötigt aber auch die Entwicklung dahin, das ist nicht jedermann in die Wiege gelegt.
Die zunehmend geforderte verpflichtende Fischerprüfung zum Lizenzerwerb hat mMn schon einen Schub in diese Richtung gebracht.
Und es ist natürlich erlaubt, besser zu werden.

Schöne Grüße
Jürgen
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